Traumatologie des Radfahrens
In Zeiten der Antiaging- und Fitnesswelle ist das Radfahren eine der beliebtesten Methoden um den Körper in Schuß zu halten. Nichts desto trotz sollte man sich aber auch über die Gefahren, die das Radfahren mit sich bringt, im Klaren sein.
In den USA ist deshalb im Rahmen der Gesundheitsvorsorge eine Welle entstanden, die sich auf die Funktionalität und Gesundheit des Dammes unter dem Schlagwort „Perineal health“.
Im besonderen sind dabei die Männer und im speziellen der Penis in ihrer Funktionalität gefährdet und das auch deshalb weil gerade ein taubes Gefühl im Penisbereich nicht so sehr als Gefahr, den als Zeichen eine ausreichende sportliche Betätigung gesehen wird.
Schuld daran ist, dass der Mann meistens solche körperlichen Warnhinweise negiert und eher geneigt ist, noch mehr zu trainieren. Mit der Problematik eines falsch eingestellten Sattels setzt „Mann“ sich nicht auseinander.
Der Bostener Urologe Prof. Erwin Goldstein hat sich sogar zu der Aussage durchgerungen, dass Männer eigentlich gar nicht Fahrrad fahren sollten.
Besonders gefährdet sind natürlich die Mountainbike Fahrer. Von 3.873 befragten Athleten gaben diese 8.133 Verletzungen an, wo von 10% dieser Verletzungen eine Hospitalisation notwendig machte. In den USA gibt es 10 Millionen Mountainbiker, wobei jährlich 500.000 Behandlungen in den Notfallambulanzen notwendig sind und den Krankenkassen dadurch ein Behandlungskosten in der Höhe von 1 Milliarde US- Dollar anfallen. Ganz besonders erschreckend bei dieser Studie war, dass geschätzte 100.000 Männer an Erektionsstörungen litten, welche durch Fahrradsattel induzierte Traumen verursacht wurden. Die Verletzungen durch das Radfahren sind natürlich vielfältig beginnend von einer Harnröherenentzündung, einer Prostataentzündung, Blutbeimenungen im Harn, Entzündung der Schamlippen (Vulvitis), Drehung des Hodens um die eigene Achse (diese Hodentorsion führt, falls sie nicht operativ saniert wird, zu einem Absterben des Hodens), Sensibilitätsausfälle im gesamten Genitalbereich, Erektionsstörungen, Hautentzündungen und Verhärtungen im Bereich des Dammes.
Die Diskussion bezüglich Fahrrad fahren und Fruchtbarkeit der Männer wurde ebenso in einer Studie bei 51 Langstreckenfahrern untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwar dadurch das Radfahren eine höhere Hodentemperatur von 36,6 °C versus der Ausgangstemperatur von 33,3°C gemessen wird, allerdings zeigte sich in der Samenanzahl und Samenbeweglichkeit kein statistischer Unterschied. Sehr wohl zeigte sich aber, dass bei den Langstreckenradfahrer die Zeit bis zur Erzielung einer Schwangerschaft deutlich länger war als bei der Kontrollgruppe.
In einer 1997 veröffentlichten Studie aus Norwegen, wurden 260 Teilnehmer an einem Langstrecken-Rennen über 540 km nach ihrem Gesundheitszustand befragt. Dabei gaben 25% der Patienten Sensibilitätsausfälle im Dammbereich an, bei 6% hielt diese Gefühlsstörung mehr als eine Woche an. 13% berichteten über Erektionsstörungen nach diesem Rennen und nach einem Monat berichteten noch 3% der Langstreckenfahrer über ein Anhalten der Erektionsstörungen. 30% berichteten noch zusätzlich über ein Taubheitsgefühl in den Fingern.
Eine im Jahr 2000 veröffentlichte Innsbrucker Studie durchgeführt an 44 Amateurmountainbikern zeigt auch noch die Gefahr der Hodenschädigung in einem besonders krassen Form. Diese Mountainbiker wurden mit gesunden Freiwilligen verglichen, und dabei zeigten sich bei 96% der Radfahrer pathologische Ultraschallbefunde im Hoden (z.B. Verkalkungen im Hodenbereich, Wasserbrüche, Spermazysten, etc.) während bei nur 16% der Kontrollgruppe solche pathologischen Befunde festgestellt werden konnten.
Neueste Studienergebnisse wurden beim Amerikanischen Urologenkongress in Chicago 2003 vorgestellt: dabei zeigten sich in Kernspinuntersuchungen, dass die Kompressionsverletzungen des Pudendusnervs und der Pudendusgefäße langanhaltend sind und diese Veränderungen bei älteren Patienten irreversibel waren. So zeigte sich , dass besonders ältere Männer und Männer mit chronischen Erkrankungen (Blutzucker oder Hochdruck) auf die Gesundheit ihres „Dammes“ achten sollen und sich keiner allzulangen Druckbelastung aussetzen sollten.
All diese Studien zeigen, daß Radfahren und hierbei besonders das Mountainbiken eine große Gefahrenquelle für den Genitalbereich darstellt und man sollte sich eingehend mit diesem Thema, aber auch mit der richtigen Sattelwahl auseinandersetzen. Die zur Zeit auf dem Markt befindlichen Fahrradsättel egal ob harter Rennsattel oder weicher Turnsattel, führt zu einem konstanten Druck auf die Blutgefäße und Nerven (Arteria und Vena pudenda bzw. Nervus pudendus) und diese Gefäße bzw. Nerven werden durch den konstanten Druck geschädigt.
Dies führt einerseits zur Durchblutungsstörungen und andererseits auch zu
Sensibilitätsausfällen im Damm- und Penisbereich. In Messungen der Kölner Arbeitsgruppe von Dr. Schwarzer zeigten, dass sich während des Fahrradfahrens die Durchblutung abhängig vom Fahrradsatteltyp zwischen – 63% ( für den weich gepolsterten Fahrradsattel) und – 82% (für den harten Rennsattel) verringert. Man kann sich nun leicht vorstellten, dass diese Druckbelastung besonders bei Leuten mit vorgeschädigtem Gefäß- und Nervensystem (z.B. Hochdruckpatienten oder Diabetiker) sehr negativ auf die Funktionalität des Penisschwellkörpers auswirkt. Ein Weg diesem Problem abzuhelfen ist nun der sogenannte geteilte Sattel (Split Saddle), den der Californier Dick Hobson entwickelt hat.
Durch diese neuartigen Sattel sitzt man während des Radfahrens nur noch auf dem Sitzbeinhöckern, welche den Druck des Körpergewichtes natürlich gut tolerieren – dafür sind sie ja anatomisch da ! Man sitzt gleichsam auf zwei gepolsterten Sattelhälften, welche gegeneinander leicht bewegt werden und so beim Treten nicht behindern. Der Abstand der Sitzpolster zueinander ist je nach Sitzbeinabstand variabel einzustellen. Der gesamte Damm- und Genitalbereich wird durch diesen Satteltyp ausgespart und man hat somit den großen Vorteil, daß es auch bei Langstreckenfahrten zu keinen Durchblutungsstörungen oder Sensibilitätsausfällen kommen kann.
Der geringe Nachteil dieses Satteltyps ist, daß durch die fehlende Sattelnase die Stabilität des Rades geringer ist und freihändiges Fahren nicht möglich ist. Dieser geteilte Sattel stellt sicherlich eine Revolution im Bereich der Satteltechnologie dar und er sollte jedem Radfahrer angeraten werden, welcher über Sensibilitätsausfälle während des Radfahrens klagt. Auch Männern und Frauen mit vorgeschädigten Gefäß- oder Nervensystem sollten sich mit dieser Problematik auseinandersetzen und ev. den Sattel wechseln. Informationen unter: www.dersattel.de; email: wz@dersattel.de
Zusammenfassend läßt sich sagen, dass Radfahren – insbesondere das Mountainbiken – ein sehr großes Verletzungsrisiko für den Damm- und Genitalbereich darstellt. Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, werden neue Fahrradsatteltypen entwickelt, die dieses Risiko minimieren sollten.
Besonders Patienten mit Prostatabeschwerden bzw. Gefäß- und Nervenerkrankungen sollte ein geteilter Sattel angeraten werden und auch all jenen Männern und Frauen die über Sensibilitätsstörungen nach längeren Fahrrad Fahrten leiden.